Ich habe kürzlich einen Bandcamp account für meine Musik eingerichtet. Nachdem ich ab und an gefragt werde, ob man meine Musik nicht bei iTunes, Spotify oder Amazon erwerben könne, wollte ich wenigstens eine Möglichkeit anbieten, die zeitgemäß ist.
Als independent Künstler erscheint mir ein Bandcamp account die beste Lösung zu sein. Als Testballon habe ich mein Album „sonar eXperience“ hochgeladen.
Sonar Experience auf Bandcamp
Das Album wurde bereits im letzten Jahrhundert (1999) produziert. Ich will auf dieser Seite ein paar Infos zu diesem Album geben. Vordergründig geht es um die verwendete Studio-Ausstattung und die Arbeitsabläufe zu der Zeit.
Als Beitragsbild habe ich einen Ausschnitt aus meinem „Studio“ Ende der 90er Jahre eingefügt. Weiter unten folgen noch weitere Bilder, die sich allesamt per Mausclick vergrößern lassen. Von der Qualität der Bilder darf man indes keine Wunder erwarten. Zu der Zeit hatte ich eine kleine kompakte Kleinbildkamera und so gut wie keine Ahnung von der Fotografie. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich überhaupt Bilder vom Studio gemacht habe. Wahrscheinlich musste der Film voll werden;-)
Der Raum wurde von meinem riesigen Mischpult beherrscht. Gegenüber des Pultes hatte ich den großen, noch immer im Einsatz befindlichen Arbeitstisch. Damals beherbergte der Tisch meinen Atari Computer mit der Notator SL Software, einen PC mit der Sekd Samplitude Master Software für das CD Mastering, den DAT Recorder, eine Schublade mit dem Einspielkeyboard, einen Minimoog sowie diverse Schubladen für DAT Bänder(!) und Disketten(!!). Überzählige Keyboards und Synthesizer Expander mussten platzsparend an der Wand angebracht werden.
Jörg Schaaf Dannebroek Musikstudio Linden
Damals wurden bei mir noch keine Audio Spuren im Rechner aufgenommen (Eine Ausnahme davon weiter unten). Ein Stück wurde mehr oder weniger zunächst so weit es geht per MIDI produziert und dann in einem Rutsch über das Pult auf zwei Spuren DAT Band aufgenommen. Nachträgliche Änderungen waren so nicht möglich und live gespielte Passagen mussten einfach sitzen. Ich spielte manchmal den Minimoog live und es war eine besondere Herausforderung, dabei keinen Fehler zu machen. Bei dem Titel Sequencia wurden die ganzen Hintergrundeffekte auf dem MS-20 live performed. Wenn der Synth mal aus Versehen zu laut wurde, musste die Aufnahme wiederholt werden.
Besonders ärgerlich war damals ein seltsames Verhalten der Notator Software. Es konnte ab und an passieren, dass eine MIDI Note nicht oder nur wesentlich leiser (weniger velocity) gesendet wurde. Ich konnte nie herausfinden, woran das lag. Aber man kann diesen Fehler recht deutlich in einem der Stücke hören. Unten finden Sie den Bandcamp Link um diesen Titel direkt aufzurufen. Spielen Sie dort doch mal den Track „sonorous supersonics“ und versuchen Sie den Fehler zu finden.
Lösung:
Bei 5:39 wird zunächst eine Note wesentlich leiser angespielt als in den übrigen Takten, obwohl es sich um eine Loop handelt und bei 5:42 fehlt dann eine Note ganz. Mich hatte das vor allem damals ganz furchtbar genervt. Aber es war tief in der Nacht und ich musste am nächsten Morgen wieder nach Kirchhain zu Quasimidi fahren. Es war einfach zu spät, eine weitere Version des Titels aufzunehmen. Vielleicht wären beim nächsten Versuch ja noch mehr Fehler aufgetreten. Ich glaube, es handelte sich ohnehin schon um die x-te Neuaufnahme des Tracks. Total Recall gab es schon gar nicht. Die ganzen Einstellungen waren zu einem nicht unerheblichen Teil flüchtig. Wenn einem alles gefiel wurde aufgenommen. Das ganze Studio über den kommenden Tag eingeschaltet lassen wollte man auf keinen Fall. Also habe ich das Stück so gelassen, wie es war.
Ich war ohnehin schon damals der Meinung, dass ein Stück am besten bereits am ersten Tag im Kasten sein sollte. Die Stimmung des Tages kehrt oft an Folgetagen nicht zurück. Außerdem verliert man die Distanz zum Stück. Es gibt kaum etwas, was man sich beliebig oft anhören kann, ohne dass es einen nervt. Über die Qualität des einen oder anderen Effekts, der Effektivität einer neuen Hookline, die Wirkung von Trugschlüssen oder einer enharmonischen Verwechslung – all das empfindet man nach einer gewissen Zeit nicht mehr objektiv.
Das ganze Album entstand nachts und wurde auf Kopfhörer produziert. Das lag daran, dass unser Schlafzimmer unglücklicherweise direkt neben dem Studio war. Die Nachtarbeit war nötig, weil ich tagsüber arbeitete.
Hier zunächst das Pult. Eine besseres Foto habe ich leider nicht davon:
Dannebroek Musikstudio M6000 Mischpult
Es handelt sich um ein Soundcraft M6000 Mischpult. 24 Subgruppen, ein großes Bantam Jack Steckfeld, eine einladende Polsterung zum entspannten Auflehnen während der Arbeit.
So ließ sich gut arbeiten.
Über die Bantam Jacks war so ziemlich jedes Gerät meines Studios mit dem Mischpult verkabelt. Das Routing konnte man sehr bequem im Sitzen ändern. Allerdings war das Steckfeld nicht mehr 100% in Ordnung. Es gab immer mal wieder Kontaktprobleme und so manche Aufnahme scheiterte wegen eines unvermittelten Knacksens, eines Brummens oder andere Probleme.
Hier ein Blick auf das Effektrack. Während man heute selbst 100 Effekte per plugins realisieren kann, war man vor gerade mal 17 Jahren noch auf Hardware angewiesen.
Dannebroek Musikstudio LInden EffektRack
Aber es gibt einen Track auf dem Album, für den ich schon mal ein stückweit in die Produktionsweise von heute schnuppern konnte. Für Psychosis Beat verwendete ich die damalige Wunderwaffe Sonic Foundry (mittlerweile Sony Software) „Acid“. Ableton Live oder gar Bitwig gab es damals noch nicht. Aber Acid erlaubte es bereits, Audio Loops auf einer Zeitachse anordnen zu können. Acid hatte bereits eine Direct X Schnittstelle für Plugins und die Krönung des ganzen war, dass man FX-Parameter automatisieren konnte. Zunächst produzierte ich auf dem Quasimidi Sirius ein paar Drumbeats. Meine Idee war, aus den Sirius Pattern Acid Loops zu erstellen und dann in Acid das rhythmische Grundgerüst eines ganzen Tracks zusammenzubauen. Die neuen Möglichkeiten der Plugin Automation waren so heiß, dass ich sehr spielerisch damit umging. Ich habe leider völlig vergessen, welche Effektplugins ich verwendete. Aber ich erinnere mich, das mich das damals ziemlich umgehauen hat.
Als das Acid Backing fertig war, habe ich den Notator auf dem Atari mit dem PC synchronisiert und ein paar MIDI Overdubs aufgenommen. Am Ende wurde wie immer auf DAT eine Stereo Summe gebildet. Hier der Direktlink zu dem Stück auf Bandcamp.
Gerade bei „psychosis beat“ hört man allerdings einen Schwachpunkt des sonar experience albums. Es gibt viele Sounds und Klangereignisse die ich selbst programmiert habe – aber gerade bei psychosis beat wird die Individualität dadurch zerstört, dass ich einige sehr prägnante Effekte der Sample CD „distorted reality“ von Eric Persing eingesetzt habe. Die Klangkreationen von Herrn Persing sind leider so gut, dass Sie jeder einsetzt. Sie begegnen einem in Filmen, auf anderen CDs und in der Werbung. Am Ende schämt man sich, dass man der Verführung erlegen ist. Also mein kleiner Tipp – die richtig geilen Sounds von Sample CDs am besten gar nicht einsetzen. Kürzlich kaufte ich eine ältere Steve Vai CD. Die CD ist hervorragend – aber wenn ich dann die gleichen Effektsounds höre, wie jene die ich zur gleichen Zeit auf meiner sonar eXperience eingesetzt habe, gehen mir die sounds vor allem beim Hören meiner eigenen CD auf die Nerven. Da hilft nur eines – alles selber machen. Ich hatte ja auch genug Kram in meinem Studio auch ausgefallene Sounds zu kreieren. Hier ein Bild von meinem ersten Synthesizer überhaupt:
Der hatte schon einige Male für Samplefutter gesorgt. Als Klaus Schulze mich einlud, ein Wahnfried Album mit ihm aufzunehmen, hatte ich das Bedürfnis, mich bei meinem allerersten Synthesizer zu bedanken. Ich hatte die Idee einen Song zu kreieren, der sich ausschließlich aus Samples des MS-20 zusammensetzt. Mit dem SQ-10 Stepsequenzer und dem MS-20 erzeugte ich nicht nur diesen markerschütternden Klangeffekt des Stückes „Supense“ auf dem Trance Appeal Album, sondern auch alle anderen verwendeten Klänge. Erst später bei Klaus Schulze haben wir noch eine Overdub Aufnahme hinzugefügt (eine JD-800 Fläche). Wenn man bereit ist etwas mehr Zeit zu investieren, kann einem ein solcher Flop wie den oben beschriebenen mit Herrn Vai erfolgreich verhindern.
Generell war sampling überhaupt das Thema. Den Minimoog habe ich zum Beispiel nur selten wirklich direkt eingesetzt. Schon bei meiner Arbeit mit Klaus wollte ich die Klänge reproduzierbar haben. Also habe ich meist gerade vom Minimoog Multisamples erstellt. Die Sequenzer und Bass Sounds der ersten Hälfte des Stückes sonorous supersonics wurden mit sound forge gesampled und dann per SCSI an meinen ESI 32 Emu Sampler übertragen. Im Sampler selbst habe ich dann das Multisample erstellt, damit ich den Klang möglichst originalgetreu reproduzieren kann.
Einer meiner Lieblingseffektprozessoren zu der Zeit war mein Boss SX-700 Multieffektgerät. Damit konnte man sehr räumliche surround Effekte erstellen, die sich vor allem im Kopfhörer gut machen.
Ich möchte jetzt nicht mit immer neuen Details langweilen. Fragen zu den Stücken beantworte ich aber gerne.
Nur noch eines – da ich die Stücke zum Teil ineinander übergehen ließ, war es mir wichtig, das CD Mastering selbst zu übernehmen. Zu diesem Zweck erwarb ich die Samplitude Master Software. Ausserdem hatte ich einen DAT Recorder mit Koaxial Ausgang, mit dem ich direkt über meine Audiokarte digital in den PC gehen konnte. Ich überspielte also die DAT Bänder in den PC und programmierte die Fades, Tracknummern, IDs und Indexe in Samplitude. Mit dem SCSI CDR Schreiber von Yamaha erzeugte ich dann direkt eine RED BOOK kompatible CDR für das Presswerk. Damals musste man beim Kauf eines CD Brenners noch richtig aufpassen. Manche konnten nämlich gar keine Redbook kompatiblen CDs brennen. Mit dem CDR102 von Yamaha ging es aber – was damals schon wieder eine Investition von 1200 DM bedeutete.
Jörg Schaaf ca. 1999
Ich hätte damals sicherlich keine CD herausgebracht, wenn ich die Kosten dafür hätte selbst tragen müssen. Ich hatte aufgrund meiner Zusammenarbeit mit Klaus Schulze Anfragen zu Remixen erhalten. Bei einem dieser Angebote fragte ich, ob ich nicht lieber mal etwas von mir selbst vorstellen könnte. Zu dem Zeitpunkt existierten nur „sonorous supersonics“ und „Eric’s birth“. Ich prodzierte noch einen dritten Titel und sendete eine Demo CD nach Berlin zum Label 96 sounds. Zum Glück ging 96sounds das Risiko ein, eine CD mit mir zu wagen. Ansonsten hätte es die sonar eXperience sicher nicht gegeben.